Werden Stellplätze zur Luxusware?

Veröffentlicht am 09.09.2020 in Pressemitteilung

Südallee mit Blick auf die Kirche St. Josef

In den Nachmittag- und Abendstunden beginnt in der südlichen Vorstadt die Jagd nach einem Parkplatz. Jede noch so kleine Lücke wird genutzt, oft stehen die Autos Stoßstange an Stoßstange. Mancher Anwohner oder Besucher der örtlichen Gastronomie fährt eine halbe Stunde oder länger im zermürbenden Suchverkehr im Kreis durch die Vorstadt. „Und so wie hier sieht es in anderen Stadtteilen bereits ebenfalls aus. Immenser Parkplatzdruck ist in allen Stadtteilen zu beobachten“, erklärt die SPD-Fraktionsvorsitzende Marion Lipinski-Naumann. Die große Sorge der Koblenzer Sozialdemokraten ist, dass Parkplätze bald schon ein Luxusgut werden könnten, dass sich nur noch höhere Einkommensschichten leisten können.

Hintergrund dieser Angst ist unter anderem die von CDU-Seite initiierte Kfz- und Fahrrad-Stellplatzsatzung, die in der vergangenen Ratssitzung diskutiert wurde. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich eine Regelung, wie viele Stellplätze bei Neubau von Ein- oder Mehrfamilienhäusern durch die Bauherren geplant und errichtet werden müssen. Die Satzung sieht vor, dass unabhängig von der Größe der Wohnung – ob 30 oder 120 Quadratmeter – nur ein Stellplatz errichtet werden muss. „Ein Beispiel: Ein Einfamilienhaus wird abgerissen oder aufgestockt, sodass ein 3-Familien-Haus entsteht, was in Koblenz schon vorgekommen ist. Das erhöht den Kampf um drei weitere Pkw-Stellplätze in der Straße. Dieses Problem kann also jeden treffen. Die Aufsummierung der wegfallenden Parkplätze durch den Radwegeausbau zuzüglich der Pkw, die zusätzlich im Straßenraum parken werden sind zurzeit einfach zu viel. Deshalb“, so Lipinski-Naumann am Rande der Stadtratssitzung, „können wir die vorgeschlagene Satzung so nicht mittragen, denn sie kommt zum falschen Zeitpunkt. Hier wird der zweite vor dem ersten Schritt gemacht, denn für eine Stellplatzsatzung müssen erst wichtige Voraussetzungen geschaffen werden.“ Nach Meinung der SPD-Ratsfraktion muss zuerst ein zumindest in den Hauptrouten gut ausgebautes Radwegenetz realisiert und ein attraktives und günstiges ÖPNV-Angebot umgesetzt sein.
Mit der Stellplatzsatzung käme eine Verknappung privat genutzter Parkplätze hinzu. Die Folge: Mehr Autos für wesentlich weniger Stellplätze. Die Vision der CDU, dass weniger Parkplätze dazu führen, dass Koblenzerinnen und Koblenzer auch weniger Autos besitzen, hält der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Kirsch, für wenig realistisch: „Menschen pendeln von Koblenz aus zu ihrem Arbeitsplatz oder sind aus anderen Gründen auf einen Pkw angewiesen. Wir kennen viele Beispiele, dass Menschen zwar gerne den ÖPNV nutzen, aber dennoch ein Auto besitzen. Und die müssen, auch wenn sie selten gefahren werden, irgendwo abgestellt werden. Beim Beispiel Süd, wo heute schon ein Stellplatzmangel herrscht, müsste demnach die Folge sein, dass viele Menschen auf ihr Auto verzichten – das ist aber nicht der Fall.“ Wenn das aber aufgrund des Wegfalls von öffentlichen Parkplätzen immer schwieriger wird, dann werden unweigerlich die Preise für Miet-Stellplätze steigen. „Wo vor einigen Jahren ein privater Parkplatz vielleicht 60 oder 70 Euro im Monat gekostet hat, zahlt man heute bereits 100 oder 120 Euro. Mit einer Stellplatzsatzung zum falschen Zeitpunkt werden diese Preise weiter durch die Decke gehen und der eigene Parkplatz wird zum Luxusgut“, erläutert der Bundestagsabgeordnete Detlev Pilger und ergänzt, dass eine flächendeckende Satzung für alle Stadtteile kritisch zu sehen ist. Vor allem der Bereich der Alt- und Innenstadt sollte bei solchen Überlegungen gesondert betrachtet werden. „Hier ist es aufgrund der dichten Bebauung kaum möglich, überhaupt Stellplätze zur Verfügung zu stellen. Insofern bräuchte der Alt- und Innenstadtbereich ohnehin eine eigene Satzung“, so Pilger.
Um ökologisches Bauen zu fördern ist nach Meinung der SPD-Fraktion eine solche Satzung nicht nötig. Am Beispiel Fritsch-Kaserne, dem Stadtteil der Zukunft, könnte man sogar auf jegliche Stellplätze verzichten, denn jeder, der perspektivisch hierherziehen möchte, wüsste, worauf er sich einlässt.
Insgesamt überwiegen demnach für die Koblenzer Sozialdemokraten eindeutig die Nachteile einer Stellplatzsatzung. „In der Kommunalpolitik sollte man einen sinnvollen Schritt nach dem anderen gehen. Der Vorstoß der CDU in dieser Angelegenheit ist rein investorenfreundlich gedacht, macht aber für die Bürgerinnen und Bürger von Koblenz zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keinen Sinn“, fasst Lipinski-Naumann die Meinung der SPD-Fraktion zusammen.