Populistische, “liberale” Forderung

Veröffentlicht am 26.01.2017 in Pressemitteilung

Leserbrief des stellv. Fraktionsvorsitzenden Gerhard Lehmkühler auf den RZ-Artikel “Torsten Schupp will OB werden” vom 26.01.2017

Das erste wichtige Ziel des dritten OB Kandidaten ist es, die Gewerbesteuer nach dem Vorbild von Monheim auch in Koblenz zu senken, damit mehr Unternehmen nach Koblenz kommen. Abgesehen davon, dass mehr Unternehmen nach Koblenz kämen, wenn entsprechende Flächen vorhanden wären, offenbart diese populistische, wenig durchdachte Forderung wie undifferenziert die Problematik der Gewerbesteuer von dem Kandidaten angegangen wird.

Die 43.000 Einwohner zählende Stadt Monheim hat mit 260 Punkten Gewerbesteuer den niedrigsten Hebesatz in NRW. Die Folge davon ist, dass den Städten und Gemeinden in der Umgebung von Monheim die Gewerbesteuereinnahmen weggebrochen sind, dass Gewerbe- und Industriebrachen zu verzeichnen sind und dass die Verschuldung dieser Kommunen weiter angestiegen ist. Dieser ruinöse Steuerwettbewerb hat zwar in Monheim mehr Einnahmen erbracht, aber in NRW insgesamt zu weniger Steuereinnahmen geführt.
Hier wird im Kleinen praktiziert, was fast jeder zu Recht im Großen bei den weltweiten Steueroasen kritisiert. Deshalb läuft derzeit eine Bundesratsinitiative, die lokale Steueroasen wie Monheim in der BRD unterbinden soll.
Da die Gewerbesteuer eine der Haupteinnahmequellen der Kommunen, die sie zudem noch selbst steuern können, darstellt, verwundert es nicht, dass überall ein teils ruinöser Wettbewerb um die Ansiedlung von Gewerbesteuerzahler stattfindet. Dabei werden neue Flächenversiegelungen für Betriebe und Straßen vorgenommen, es wird zusätzlicher Güterverkehr auf der Straße mit all seinen negativen Folgen für die Umwelt produziert, aufgegebene Gewerbe – und Industrieflächen werden in den seltensten Fällen zurückgebaut und die Flächen werden so gut wie nie entsiegelt.
Aus vielen Gründen ist es deshalb notwendig, dass die derzeitige Struktur der Gewerbesteuer verändert wird. Zwar muss es für die Kommunen auch zukünftig Anreize geben, um Industrie und Gewerbe zu behalten oder neu anzusiedeln, aber es müsste  eine Art Steuerung zumindest auf Ebene der Bundesländer geben, damit neben betriebswirtschaftlichen Interessen auch volkswirtschaftliche und ökologische Aspekte eine stärkere Berücksichtigung finden könnten. Während in Ballungsgebieten betriebliche Ansiedlungsflächen häufig knapp sind und oft an mangelnden oder nicht vorhandenen Ausgleichsflächen scheitern, finden Kommunen im ländlichen Raum trotz massiver Anstrengungen so gut wie keine ansiedlungswilligen Betriebe.
Hier sollte über eine Art überregionalen Ausgleichsfond nachgedacht werden. Um Ressourcen in allen Bereichen zu schonen, müssten Anstrengungen unternommen werden, um Arbeit und Wohnen wieder zu “versöhnen” (die im Verfahren befindlichen Änderungen des Bundesbaugesetz eröffnen auch hier neue Möglichkeiten). Das heißt, dass Wohn- und Arbeitsstätten nicht zwangsläufig getrennt sein müssen.
Sinnvolle, zukunftsorientierte Lösungen sind schwieriger und vielschichtiger, als einfache populistische Forderungen, selbst wenn sie ein sogenanntes liberales Mäntelchen haben.